Unser Experte für Tumoren der Speiseröhre

Prof. Dr. med. Christian Gutschow

Spezialisierungen: Tumoren der Speiseröhre (Ösophagus), Magenoperationen, Endokrine Chirurgie, Bariatrische Chirurgie (Adipositas-Chirurgie)

Institution und Position: Leitender Chirurg im Bereich des oberen Gastrointestinalotrakts (Ösopgagus und Magen) der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitäts Spital Zürich (Schweiz). Universitätsprofessor (C3) für Chirurgie an der Medizinischen Fakultät der Universität Köln.

Stand: 14.03.2018

Die Mitschrift des Interviews mit Prof. Dr. med. Christian Gutschow zum Thema “Tumoren der Speiseröhre”

Welche Tumoren der Speiseröhre gibt es?

Bei den Tumoren der Speiseröhre unterscheidet man zwischen gutartigen und bösartigen Tumoren. Die gutartigen Tumoren sind eher selten, die bösartigen Tumoren bei weitem die häufigere Entität. Bei den bösartigen Tumoren unterscheidet man 2 Hauptgruppen, das eine ist das Adenokarzinom der Speiseröhre und das andere das Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre.

Was ist das Besondere am Adenokarzinom der Speiseröhre?

Das Adenokarzinom der Speiseröhre hat in den letzten 20 Jahren stark zugenommen in seiner Häufigkeit. Das Adenokarzinom hat als Besonderheit, dass es auf dem Boden einer chronischen Reflux-Krankheit typischerweise im unteren Teil der Speiseröhre entsteht. Es ist so, dass die Speiseröhre normalerweise von Plattenepithel überzogen ist und bei chronischem Reflux, also Sodbrennen auf Deutsch, kann sich dieses Plattenepithel umwandeln in ein sog. Zylinderepithel, in ein anderes, welches ein Potenzial hat der malignen Entartung und der Weiterentwicklung Richtung Adenokarzinom.

Was ist das Besondere am Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre?

Das Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre kann in allen Abschnitten der Speiseröhre, vom Kehlkopf letztendlich auf dem Rachen bis zum Mageneingang entstehen. Das Besondere am Plattenepithelkarzinom ist, dass die Ursache der Entstehung häufig in chronischem Alkohol und Nikotin-Abusus liegt. In seltenen Fällen kann es auch entstehen auf dem Boden einer auch viele Jahre zurückliegenden Bestrahlung im Bereich des Brustkorbes.

Können Tumoren der Speiseröhre auch gutartig sein?

Tumore der Speiseröhre, die gutartig sind, existieren durchaus, sie sind nur viel seltener als bösartige Tumore der Speiseröhre. Die Behandlung von gutartigen Tumoren ist häufig auch nicht so invasiv wie die der bösartigen Tumore der Speiseröhre. Häufig kann man limitierte Operationsverfahren zum Einsatz bringen.

Was sind mögliche Ursachen oder Risikofaktoren?

Hier muss man unterscheiden zwischen dem Adenokarzinom und dem Plattenepithelkarzinom. Beim Adenokarzinom ist es so, dass die typische Ursache der Entstehung eines solchen Tumors eine chronische gastroösophageale Reflux-Krankheit ist. Hier kann eben eine, auf dem Boden des Säure-Refluxes, des Sodbrennens über viele Jahre bestehend, kann eine sog. Barrett Metaplasie entstehen. Darunter versteht man, dass sich das normale Epithel der Speiseröhre, welches ein sog. Plattenepithel ist, umwandelt in ein Zylinderepithel und dieses Zylinderepithel beinhaltet eine gewisse Tendenz zur malignen Entartung. Beim Plattenepithel ist das Besondere, dass  es nicht nur im unteren Teil der Speiseröhre entstehen kann, sowie das beim Adenokarzinom ist, sondern im Bereich der gesamten Länge der Speiseröhre, vom Rachen  bis zum Mageneingang. Und das Plattenepithelkarzinom hat als typische Ursache chronischen Missbrauch von Nikotin und Alkohol.

Auf welche Symptome sollte ich achten?

Die klassischen Symptome, mit den sich Patienten bei uns vorstellen, die einen bösartigen Tumor der Speiseröhre haben, sind einmal die Schluckstörung, das steht ganz im Vordergrund, und man sollte jedem raten, der eine neu aufgetretene Schluckstörung hat, umgehend den Hausarzt oder den Gastroenterologen aufzurufen, um das per Magenspiegelung abzuklären. Das ist, denk ich mal, das Kardinalsymptom. Schmerzen beim Schlucken kommen vor, überhaupt Brustkorbschmerzen und Gewichtsverlust sind weitere Symptome, die relevant sind beim Speiseröhrenkarzinom.

Gibt es Möglichkeiten der Früherkennung?

Man kann eine Überwachung durchführen, wenn bei einem Patienten bereits eine sog. Barrett-Metaplasie bekannt ist, also diese Zylinderepithelmetaplasie, wenn sich die normale Schleimhaut der Speiseröhre bereits in ein Zylinderepithel umgewandelt hat, dann kann eine Kontrollendoskopie nach 1 bis 3 Jahren sinnvoll sein, um eben eine Entartung Richtung Adenokarzinom frühzeitig erkennen zu können. Beim Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre ist dies i.d.R. nicht möglich.

Wie wird ein Krebsverdacht abgeklärt?

Wenn ein Patient mit den typischen Warnsymptomen, sprich Dysphagie, also Schluckstörung oder auch Schmerzen beim Schlucken, zum Hausarzt geht oder zum Gastroenterologen, ist das erste, was durchgeführt werden sollte eine Magenspiegelung mit Biopsie. Wenn sich bei der Magenspiegelung ein Tumor zeigen sollte im Bereich der Speiseröhre, zeigen die Biopsien dann ob sich um einen bösartigen oder gutartigen Tumor handelt.

Wie sind die Heilungschancen?

Die Heilungschancen beim Ösophagus-Karzinom sind enorm abhängig vom Stadium der Erkrankung. Es gibt Frühbefunde, die endoskopische behandelt werden können, über eine Magenspiegelung, man braucht gar keine Operation und kann den Tumor suffizient behandeln oder auch heilen und man hat Überlebensraten nach 5 bis 10 Jahren auch um die 90%.

 

Bei fortgeschrittenen Stadien kann es sein, dass eine Vorbehandlung mittels Chemotherapie oder Strahlenchemotherapie vor einer Operation erforderlich ist oder bei enorm weit fortgeschrittenen Tumoren, die bereits Absiedlungen in anderen Organen gebildet haben, nur eine alleinige Chemotherapie in Frage kommt. Dann sind die Überlebenschancen entsprechend schlechter. Bei operierten und komplett resezierten Karzinomen kann man davon ausgehen, dass im Schnitt nach 5 Jahren eine Überlebensrate zwischen 40 und 50 % realistisch ist.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Die Behandlungsmöglichkeiten beim Speiseröhrenkarzinom sind vielfältig. Es gibt frühe Stadien, die sehr gut auch ohne Operation über eine Endoskopie behandelt werden können. Dann ist nur eine endoskopische Nachkontrolle in regelmäßigen Abständen erforderlich. Bei fortgeschrittenen Stadien ist i.d.R. eine Chemotherapie oder auch eine Strahlenchemotherapie in Kombination mit einer Operation notwendig, um den Tumor adäquat zu behandeln. Und es gibt metastasierte Stadien, also Tumore, die bereits Absiedlungen in Leber oder Lunge hauptsächlich gebildet haben, die werden i.d.R. nur durch Chemotherapie behandelt.

Wann sollte der Tumor unbedingt operiert werden?

Der Tumor sollte operiert werden, wenn es zum Einen der Patient fit genug ist, um ein solch großen Eingriff gut überstehen zu können, das wird im Rahmen der Operationsabklärung immer auch getestet, Lungenfunktion, kardiologische Abklärung gehört immer dazu. Wenn der Patient von seiner physischen Fitness ausreichend gut ist, um eine solche Operation überstehen zu können, sollte man eine Operation ins Auge fassen. Zweites Problem  ist natürlich, der Tumor muss komplett resektabel sein, der darf keine Absiedlungen gebildet haben in fernerliegenden Organen, wie beispielsweise der Lunge oder der Leber. Aber wenn das nicht der Fall ist, kann der Patient operiert werden und sollte auch operiert werden.

Welche modernen Operationsmethoden gibt es?

Wie in der gesamten Medizin und auch der Chirurgie haben minimal-invasive Techniken Einzug gehalten in den letzten 20 Jahren. Das sind Verfahren, bei denen man verzichten kann auf die großen Bauchschnitte oder Schnitte im Bereich des Brustkorbes und nur noch durch kleine Inzisionen operieren kann. Das bedeutet für den Patienten eine deutliche Erleichterung, weniger Schmerzen, raschere Mobilisation und auch deutlich schnellere Rückkehr nach Hause und in den gewohnten Lebensablauf. Das sind die wesentlichen Fortschritte in der Chirurgie, was die Operation betrifft.

Wann darf der Patient nach der Operation wieder Essen und Trinken?

Die Speiseröhrenentfernung ist eine komplexe und große Operation. Die Speiseröhre wird entfernt, der Magen wird zu einem Schlauch umgewandelt und ist dafür dann da, den Defekt zu überbrücken und der Patient schluckt so zu sagen direkt mehr oder weniger in einen zum Schlauch umgewandelten Magen. Man hat da viele Nähte, die frisch angelegt natürlich empfindlich sind, man kann nicht sofort anfangen zu essen. I.d.R. ist es so, dass wir nach der Operation die Patienten 5 bis 7 Tage nüchtern lassen, die werden dann über eine Vene ernährt und man fängt dann langsam an mit Flüssigkost, steigert sich langsam Richtung passierte Kost. Man kann sagen, dass nach 10 bis 14 Tagen der Kostaufbau auch mit fester Nahrung wieder abgeschlossen ist.

Wann ist eine Chemotherapie / Strahlentherapie notwendig?

Es hat sich in verschiedenen gut publizierten Studien gezeigt, dass eine sog. Vorbehandlung oder neoadjuvante Therapie mit einer Chemotherapie oder auch mit einer Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie die Aussichten auf ein Langzeitüberleben deutlich verbessern. Diese Vorbehandlung mit Chemotherapie oder Strahlenchemotherapie kommt dann insbesondere in Betracht, wenn die Patienten ein fortgeschrittenes Karzinom zeigen im Rahmen der Erstdiagnostik.

Empfehlen Sie nach der OP eine Reha-Maßnahme?

Das kann ich durchaus mit Ja beantworten. Nach der Operation hat der Patient häufig Probleme mit der Nahrungsaufnahme und da gibt es mittlerweile sehr gute und spezialisierte Reha-Kliniken, die den Patienten sehr gute Hilfestellung leisten können in dieser schwierigen Phase nach der Operation, wenn es darum geht, sich wieder adäquat ernähren zu müssen.

Was sollte ich nach der OP hinsichtlich der Ernährung beachten?

Direkt nach der Operation wird typischerweise mit einer flüssigen Nahrung begonnen, die wird langsam gesteigert Richtung passierte Kost und später auch dann feste Kost, das kann sich alles 2-3 Wochen hinstrecken, das ist aber völlig normal. Generell eine gute Empfehlung ist es, mehrere kleine Mahlzeiten pro Tag, d.h. 6 bis 8 kleine Mahlzeiten pro Tag zu sich zu nehmen. Da bei der Operation der Magen zu einem Schlauch umgewandelt sich im Brustkorb befindet und auch mal eine gewisse Entleerungsstörung zeigen kann, deswegen ist wichtig, den Magen nicht zu sehr mit Volumen zu belasten, viele kleine Mahlzeiten erleichtern dieses ganze Prozedere erheblich.

Welche Neuerungen bei der Behandlung gibt es?

Als Chirurg kann ich sagen, dass sich die Operationstechnik stark gewandelt hat in den letzten 20 Jahren, wir sind dazu übergegangen, die Mehrzahl der Patienten minimal-invasiv zu operieren, d.h. wir verzichten auf den großen Bauchschnitt, bei einem Teil der Patienten auch auf den großen Schnitt im Bereich der Brustkorbes und können über kleine Inzisionen die Operation adäquat  und vollwertig durchführen. Das führt dazu, dass die Patienten sich nach der Operation deutlich leichter tun, weniger Schmerzen haben, rascher mobilisiert werden können und auch schneller zu Hause sind.

 

Was die medizinische Behandlung, sprich Chemotherapie, Strahlentherapie und auch andere Therapieverfahren betrifft, ist es so, dass sich in den letzten Jahren immer mehr abgezeichnet hat, dass evtl. auch eine individualisierte Therapie in Zukunft möglich sein wird. Das bedeutet, dass spezielle Antikörper, die für den spezifischen Tumor eines speziellen Patienten wirklich zugeschnitten sind, zum Einsatz kommen können. Das zeichnet sich gerade so ab und ist dabei, in der Klinik ausprobiert zu werden. Soweit ist man allerdings noch nicht.

Welche neuen Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten 3-5 Jahren?

Die Therapie des Speiseröhrenkarzinoms wird sich ähnlich wie die Therapie anderer Tumore des Gastrointestinaltraktes individualisieren. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass Verfahren entwickelt werden, speziell im Antikörperbereich, die bei bestimmten Patienten deutliche Vorteile in der onkologischen Behandlung bringen können. Das sind wahrscheinlich die großen Entwicklungen, die wir in den nächsten 3-5 oder 10 Jahren  zu erwarten haben. Was die Chirurgie betrifft, kann es sein, dass die minimal-invasive Operationstechnik noch weiter intensiviert wird, weiter verbreitet wird. Evtl. wird die Robotik Einzug halten, auch in der chirurgischen Therapie des Speiseröhrenkarzinoms, also dass man mit einem Operationsroboter operiert.

Infos zur Person

Ich befasse mich seit vielen Jahren wissenschaftlich und auch klinisch schwerpunktmäßig mit dem oberen Gastrointestinaltrakt. Das habe ich über viele Jahre in Köln und auch in Zürich getan und das bedeutet auch einen wesentlichen und den wesentlichen Bestandteil meiner Arbeit.

Infos zur Klinik

An der Uniklinik Zürich gibt es eine eigene Einheit die sich mit der Behandlung von Tumoren des oberen Gastrointestinaltraktes befasst und ich bin Leiter dieser Abteilung. Die Abteilung arbeitet nicht nur in der Chirurgie, sondern interdisziplinär in Zusammenarbeit mit den Gastroenterologen, den Onkologen, den Strahlentherapeuten und auch den Anästhesisten. Das ist eine hochspezialisierte Abteilung, die letztendlich eine optimale Voraussetzung schafft Patienten mit Speiseröhrenkarzinom gut zu behandeln und ein sicheres klinisches Management dieser Entität zu ermöglichen.

Lebenslauf:

Studium
1986-1987 Studium der Humanmedizin, Ruhr-Universität Bochum
1987-1992 1987-1992 Studium der Humanmedizin, Ludwig-Maximilians Universität München
1990 Famulatur; HôpitalTarnier-Cochin, Paris, Frankreich
1991-1992 Praktisches Jahr (Chirurgie und Gynäkologie)
Baragwanath Hospital, Soweto (Johannesburg)
Groote Schuur Hospital, Kapstadt, Republik Südafrika
1995 Approbation als Arzt
Berufsausübung
1993-1994 Department of Surgery, Colchester General Hospital, Colchester, Großbritannien
1994-1995 Chirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians Universität, München
(Direktor: Prof. Dr. F.W. Schildberg)
1995-1996 Chirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum Rechts der Isar, Technische Universität München
(Direktor: Prof. Dr. J.R. Siewert)
1997-2001 Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie, Uniklinik Köln
(Direktor: Prof. Dr. A.H. Hölscher)
2001-2002 Abteilung für Unfall-, Hand- und rekonstruktive Chirurgie, St.-Vinzenz-Hospital, Köln
(Chefarzt: Prof. Dr. D. Pennig)
2002-2015 Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie, Uniklinik Köln
(Direktor: Prof. Dr. A.H. Hölscher)
seit Mai 2005 Oberarzt
ab 2015 Leitender Chirurg des Upper-GI-Teams (Chirurgie des oberen Gastrointestinaltraktes), Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, UniversitätsSpital Zürich
(Direktor: Prof. Dr. P.-A. Clavien)

 

 

Promotion
1997
Ludwig-Maximilians Universität München, Fachbereich Medizin; Titel: „Tierexperimentelle Untersuchung dreier neuer Techniken zur laparoskopischen Darmanastomosierung“; Note: „magna cum laude“
Habilitation
2006
Universität zu Köln, Fachbereich Medizin; Titel: „Untersuchungen zur Funktion des Ersatzorgans nach subtotaler Ösophagektomie und Magenhochzug“
Forschungsaufenthalt
1999-2000 Research Fellow, Unité de ChirurgieOeso-Gastro-Duodénale, UniversitéCatholique de Louvain, HôpitalSt.Luc, Brüssel, Belgien(Leiter: Prof.Dr. J.-M. Collard)
Anerkennungen
2003 Facharzt für Chirurgie (Landesärztekammer Nordrhein)
2007 Schwerpunktsbezeichnung Viszeralchirurgie (Landesärztekammer Nordrhein)

Mitgliedschaften:

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)

Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV)

Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositas- und metabolische Chirurgie der DGAV (CAADIP)

European Association for Transluminal Surgery (EATS)

Vereinigung Niederrheinisch-Westfälischer Chirurgen

Publikationen:

  • Lange V, Meyer G, Schardey HM, Gutschow CA, Schildberg FW. Various techniques for laparoscopic small intestinal anastomosis.A preliminary report.Chirurg 1993; 64: 408-11.
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Stand Juli 2015