Unser Experte für Schilddrüsenknoten und Schilddrüsenkrebs – Behandlung
Prof. Dr. Dr. med. Dagmar Führer
Institution und Position: Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel des Universitätsklinikums Essen. Lehrstuhlinhaberin (W3) für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie an der Universität Duisburg-Essen. Vorsitzende (statt Präsidentin) des Cancer Research Networks der Europäischen Schilddrüsengesellschaft Programmdirektorin Endokrinen Tumorzentrums am WTZ mit ENEST Center of Excellence, Universitätsmedizin Essen. Sprecherin der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
Stand: 14.03.2018
Die Mitschrift des Interviews mit Prof. Dr. Dr. med. Dagmar Führer zum Thema “Schilddrüsenknoten und Schilddrüsenkrebs – Behandlung”
Wie häufig sind Schilddrüsenknoten in Deutschland?
Schilddrüsenknoten stellen eine Volkserkrankung dar. Aus epidemiologischen Untersuchungen weiß man, dass Schilddrüsenknoten, wir reden davon wenn eine Veränderung größer als 1 cm vorliegt in der Schilddrüse, so knapp über 20% der Erwachsenen betreffen. Die Knoten nehmen mit dem Lebensalter zu. Das heißt bei Fünfzigjährigen finden wir sie in 50% der Bevölkerung, bei Siebzigjährigen in 70% der Bevölkerung. Also Schilddrüsenknoten sind etwas extrem häufiges und fast jeder ist in irgendeiner Form davon betroffen oder weiß von jemanden der einen solchen Knoten hat.
Welche Beschwerden werden durch Schilddrüsenknoten verursacht?
Das Wichtigste zuerst: Die meisten Schilddrüsenknoten verursachen überhaupt keine Beschwerden. Dann können Schilddrüsenknoten, wenn sie eine bestimmte Größe erreichen natürlich dazu führen, dass es mechanische Beschwerden gibt, also sie können auf die Speiseröhre drücken -dann haben wir Schluckbeschwerden – auf die Luftröhre drücken, dann haben wir Probleme beim Luftholen und dann können Schilddrüsenknoten Beschwerden verursachen durch eine Überproduktion von Schilddrüsenhormon. Da ist der ganze Organismus betroffen und beeinträchtigt. In ganz, ganz seltenen Fällen kann hinter einem solchen Knoten auch einmal ein Krebs stecken, der macht dann andere Probleme, aber das ist eine seltene Situation.
Sind bei einem Kropf immer Schilddrüsenknoten vorhanden?
Unter dem deutschen Begriff Kropf verstehen wir in der Tat eine massive Vergrößerung der Schilddrüse und in dem altherkömmlichen Terminus auch Knoten. Das ist der Knoten Kopf. Wir Mediziner sprechen aber nicht gerne von einem Kropf, sondern wir sprechen von einer Struma (Fachausdruck) und Struma heißt eine vergrößerte Schilddrüse. Da können Knoten dahinter stecken, da können andere Erkrankung der Schilddrüse ursächlich sein, auch Autoimmunerkrankungen, und das ist ein Begriff, praktisch eine Symptombeschreibung: Schilddrüse ist vergrößert.
Wie werden Schilddrüsenknoten am sichersten festgestellt?
Die erste Situation ist die, dass der Patient Beschwerden hat. Ihm ist etwas am Hals aufgefallen, dann untersucht der Arzt. Er tastet die Schilddrüse, führt eine Palpation durch, und dann schließt sich immer eine Ultraschalluntersuchung an. Im Ultraschall kann ich genau sehen, wie die Schilddrüse aussieht, wie groß sie ist, ob wirklich Knoten vorliegen, wie viele es sind, auch wie sie genau sich morphologisch in der Gewebestruktur darstellen könne. Das ist sozusagen die wichtigste Maßnahme um zu bestätigen: Da liegt tatsächlich ein Schilddrüsenknoten vor.
Was ist eine Palpation?
Palpation sagt der Mediziner wenn er sagt „mit den Händen untersuchen“. Das heißt wir betasten den Hals. Wir fühlen dann, ob wir überhaupt eine Schilddrüse tasten können, dann ist sie meistens schon vergrößert und wir fühlen, ob es eine Strukturveränderung der Schilddrüse gibt. Das heißt wir können größere Knoten mit den Fingern ertasten. Dann passen wir noch auf ein paar andere Dinge auf. Nämlich wie die Konsistenz, wie die Beschaffenheit des Knotens ist. Ist der hart, ist der weich, ist das ganze schluckverschieblich und fragen den Patienten: Schlucken sie bitte einmal. Da kann man schon sehr gute Anhaltspunkte bekommen, ob eine Vergrößerung vorliegt oder auch ob ein Schilddrüsenkrebs vorliegen kann.
Welche Laboruntersuchungen sind bei Schilddrüsenknoten erforderlich?
Das Labor, was wir bei einem Patienten mit Schilddrüsenknoten abnehmen, hat zwei Gründe. Wir wollen klären, wie die Funktion der Schilddrüse ist. Das heißt ob eine Überfunktion vorliegt, denn die kann durch einen Knoten entstehen und da braucht man sehr wenige Laborwerte dafür, vor allen Dingen einen Wert der TSH (Thyroidea-stimulierendes Hormon) heißt. Der zeigt uns sehr, sehr gut an, ob eine normale, Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse vorliegt und dann bestimmen wir in manchen Fällen noch einen seltenen Tumormarker, sagen wir für ein Schilddrüsenkarzinom was ganz selten ist. Das heißt medulläres Schilddrüsenkarzinom und das ist das Calcitonin. Das sind sozusagen die zwei Dinge die wir durchführen, bestimmen lassen, bei Patienten mit Knoten und alles andere sind dann mehr so Fragen für den Spezialisten, wenn man sieht man braucht noch mehr Diagnostik.
Wie sind bösartige Knoten zu erkennen?
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir den bösartigen Knoten in Schilddrüsenkrebs erklären können. Sehr selten ist es so, dass der Patient direkt mit Beschwerden kommt, die auf Eintritt hinweisen. Das kann eine neu aufgetretene Schwellung im Halsbereich sein, die womöglich auch rasch wächst. Das können Lymphknotenschwellung sein. Das kann eine Heiserkeit sein, die neu auftritt und dahinter kann in der Tat ein Schilddrüsenkrebs stecken. Darum müssen wir uns auch kümmern und dann ist es auch ein Krebs der schon über die Schilddrüse hinaus sich ausgebreitet hat. Ansonsten entdecken wir den Schilddrüsenkrebs häufig erst bei einer Ultraschalluntersuchung, bei der wir dort anhand der Knotenstruktur erkennen können, dass das ein Knoten ist der womöglich als Ursache einen Krebs hat.
Wann ist eine Punktion der Schilddrüse zur Abklärung von Knoten angezeigt?
Die Schilddrüsenpunktion ist die wichtigste Untersuchung um zu entscheiden können, ob ein Knoten, der mir verdächtig erscheint, tatsächlich zum Operateur muss. Das heißt, wenn ein Patient klinische Beschwerden hat und ein Knoten vorliegt und das Ganze in Richtung Karzinom gehen kann, dann punktiere ich oder wenn ich einen Ultraschallbefund habe und der Knoten mir, wir sagen im Terminus, suspekt erscheint. Damit, mit dieser Punktion haben wir eine Weichenstellung. Ein Großteil der Patienten hat einen gutartigen Befund. Das heißt ich muss mich um den Knoten dann nicht weiter kümmern; kann den Patienten beruhigen. Ein kleiner Teil wird mit der Punktion als krebsverdächtig oder sogar Krebs identifiziert. Für diese Patienten besteht dann eben auch die Möglichkeit mit dem Ersteingriff der Operation den Krebs auch gleich optimal chirurgisch zu behandeln.
Wann ist eine Szintigraphie zur Abklärung von Schilddrüsenknoten angezeigt?
Die Szintigraphie ist ein Verfahren um die Funktion von einzelnen Gewebeanteilen der Schilddrüse gut beurteilen zu können und die Szintigraphie führen wir dann durch, wenn wir den Verdacht auf einen heißen Knoten haben, also ein Knoten der eine Überfunktion verursachen kann, weil er zu viele Schilddrüsenhormone produziert. Nur dann ist eine Schilddrüsenszintigraphie bei einem Knoten indiziert.
Welche Formen von Schilddrüsenkrebs sind am häufigsten?
Die häufigste Form von Schilddrüsenkrebs, und das mit großem Abstand, ist der differenzierte Schilddrüsenkrebs (differenziertes Schilddrüsenkarzinom). Das ist für fast 85% bis 90% aller Schilddrüsenkrebsformen verantwortlich. Davon gibt es verschiedene Untereinheiten, die der Pathologe nochmal unterscheidet und von diesen Untereinheiten ist das sogenannte papilläre Schilddrüsenkarzinom, auch wieder mit 85%, das häufigste.
Ist Schilddrüsenkrebs heilbar?
Das ist eine wichtige Frage und die Antwort darauf ist: Ja. Das ist eine gute Botschaft. Der Schilddrüsenkrebs ist in den meisten Fällen ein differenzierter Schilddrüsenkrebs, den können wir hervorragend behandeln. „Meiste Fälle“ heißt 85 bis 90% ist differenziert und in über 90% der Fälle heilen wir den Patienten mit der Operation. Manchmal muss noch eine Radiotherapie gemacht werden und das ist eine wunderbare Botschaft für die Patienten, die die Diagnose eines solchen Schilddrüsenkrebs haben.
Gibt es eine erbliche Veranlagung für Schilddrüsenkrebs?
es gibt Sonderformen des Schilddrüsenkrebses die in der Tat vererbbar sind. Dazu gehört das medulläre Schilddrüsenkarzinom und bei diesem medullären Schilddrüsenkarzinom kann eine genetische Veränderung vorliegen, eine Mutation die tatsächlich von Generation zu Generation weitergegeben wird und das ist eine besondere Form und diese Patienten brauchen auch eine besondere Nachsorge. Der häufige Schilddrüsenkrebs, also der differenzierte Schilddrüsenkrebs, hat zwar in Untereinheiten eine gewisse Neigung, eine Disposition sagen wir, aber es gibt keinen eindeutigen Vererbungsgang und das ist die gute Botschaft für die Patienten. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass dort eine ganze Familie betroffen sein kann.
Was ist ein medulläres Schilddrüsenkarzinom?
Das medulläre Schilddrüsenkarzinom ist eine seltene Form des Schilddrüsenkrebses. Es macht etwa 3 bis 5% aller Schilddrüsenkrebsformen oder -erkrankungen aus und es ist ein besonderer Tumor, weil er nicht von den eigentlichen Schilddrüsenzellen ausgeht, sondern von den sogenannten C-Zellen, die auch in der Schilddrüse liegen. Und das ist auch deswegen ein besonderer Tumor, weil er sich nicht mit Radiojod z.B. therapieren lässt. Eine dritte Eigenschaft, die dieser Schilddrüsenkrebs hat – das medulläre Karzinom – ist, dass es vererbbar sein kann, das ist so in etwa 25% der Fälle vorliegend. Und die Ursache hierfür ist eine Mutation im RET Protoonkogen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden kann.
Was ist ein differenziertes Schilddrüsenkarzinom?
Das differenzierte Schilddrüsenkarzinom ist mit Abstand der häufigste Schilddrüsenkrebs und wir unterscheiden dort zwei Formen. Das eine sind die papillären Schilddrüsenkarzinome, die machen mit Abstand den größten Anteil aus 85% – 90% und dann gibt es die kleinere Gruppe, das sind die follikulären Schilddrüsenkarzinome. Beide Gruppen unterscheidet der Pathologe bei der Untersuchung des Gewebes. Dieser differenzierte Schilddrüsenkrebs hat noch Eigenschaften wie die Schilddrüsenzellen, aus der er entsteht. Das heißt er nimmt z.B. noch Radiojod auf. Er kann sich aber, es ist ein Krebs, auch ausbreiten, also metastasieren. Und von diesen beiden Varianten gibt es noch mal Untereinheiten. Das ist dann etwas für das Kleingedruckte, für den Text, und diese Untereinheiten erfordern auch manchmal noch mal ein etwas anderes Vorgehen in der Therapie.
Was versteht man unter „heißen Knoten“?
Heiße Knoten sind besondere Knoten, weil sie zu viele Schilddrüsenhormone produzieren können. Das heißt sie sind eine Ursache für eine Überfunktion, die dem Patienten unglaublich viele Beschwerden machen kann, und diese heißen Knoten erkennt man einmal klinisch, weil der Patient Zeichen einer Überfunktion hat. Man erkennt sie aus der Laboruntersuchung, indem man dort eine Überfunktion findet und dann führt man nach dem Ultraschall eine Szintigraphie durch und da sieht man, dass solch ein heißer Knoten viel von der jodähnlichen Substanz anreichert, er leuchtet dann rot. Und daher kommt dieser Begriff “heiß”, ist also dann ein bildlicher Begriff. Dahintersteckt Autonomie, dieser Knoten macht selbst das was er will, er produziert einfach selbst zu viel Schilddrüsenhormon.
Was versteht man unter „kalten Knoten“?
Kalte Knoten sind Knoten, die – wenn man eine Szintigraphie durchführt – dadurch auffallen, dass sie gar nicht an dem normalen Schilddrüsenhormonen-Stoffwechsel teilnehmen. Das heißt die produzieren kein Schilddrüsenhormon mehr. Das ist eine Eigenschaft die Knoten manchmal haben. Das bedeutet aber nicht, dass hinter dem Knoten etwas steckt was einen in irgendeiner Weise stören oder beunruhigen muss.
Wie häufig müssen Schilddrüsenknoten generell mit Ultraschall kontrolliert werden?
Am Anfang ist es wichtig sich ein klares Bild zu machen, ob ein Schilddrüsenknoten behandlungsbedürftig ist. Wenn ich sage das ganze muss nicht behandelt werden und das ist in den allermeisten Fällen bei den Patienten vorliegend, dann hängt es ein bisschen davon ab, ob sich aus dem Knoten doch ein Wachstum entwickeln kann, das dann wieder zu Beschwerden führt, ob die Funktion beeinträchtigt werden kann. In aller Regel kontrolliert man den Patienten noch mal nach einem Jahr um zu schauen ob es Veränderung gibt und dann wählt man in Abhängigkeit vom Befund häufig größere Intervalle, um letztendlich den Verlauf zu beobachten.
Wie läuft eine Schilddrüsenpunktion ab?
Im Prinzip ist eine Schilddrüsenpunktion nichts anderes als eine Blutabnahme. Der Patient liegt so wie bei der Schilddrüsenultraschalluntersuchung. Man arbeitet unter sterilen Bedingungen, führt dann eine dünne Nadel so wie bei einer Blutuntersuchung in das Schilddrüsengewebe, in den Knoten, ein und gewinnt über diese Punktion einzelne Zellen aus dem Knoten heraus. Wir brauchen keine Lokalbetäubung für den Patienten. Er erhält anschließen nach der Punktion ein Pflaster, drückt ein bisschen und kann dann nach Hause gehen und einen ganz normalen Tag verbringen. Und aus dem Punktat, das wir gewinnen, fertigen wir eine Probe für den Pathologen an. Der schaut sich dann die Zellen an und sagt uns, was hinter dem Schilddrüsenknoten ursächlich stecken kann.
Wie läuft eine Technetium-Szintigraphie der Schilddrüse ab?
Bei der Schilddrüsenszintigraphie wird dem Patienten eine radioaktive Substanz in die Blutbahn gespritzt. Man nimmt da heute meistens Technetium dazu. Das verhält sich ähnlich wie Jod und das wird in der Schilddrüse angereichert. Die Schilddrüse möchte gerne möglichst viel Jod aufnehmen. Die Verteilung von diesem Technetium, das ist ein Gammastrahler, messe ich, indem ich den Patienten vor eine Kamera setze, die Gammakamera. Die fertigt ein Bild an, je nachdem wie viel Radioaktivität in der Schilddrüse ankommt und aus diesem Bild kann ich dann erkennen, welche Anteile der Schilddrüse normal funktionieren oder sich anders verhalten. Wichtig ist: ich muss Szintigraphie mit dem Ultraschall korrelieren, auch mit dem Laborbefund dazu. Also alles drei zusammen ergibt dann eine korrekte Aussage.
Wie werden bösartige Schilddrüsenknoten behandelt?
Die Behandlung des Schilddrüsenkrebses hängt stark davon ab, welche Art von Schilddrüsenkrebs vorliegt. Die erste und sicher wichtigste Maßnahme für den Patienten ist die chirurgische Therapie. Bei der chirurgischen Therapie wird in aller Regel die komplette Schilddrüse entfernt und es werden sehr häufig auch Lymphknotenstationen nicht nur angesehen sondern auch chirurgisch entfernt. Wie es dann weitergeht, hängt in der Tat davon ab welcher Schilddrüsentyp vorliegt, aber auch welches Stadium vorliegt. Da ist der Pathologe eben sehr wichtig für diese Entscheidungsfindung. Bei dem differenzierten Schilddrüsenkrebs, also der mit Abstand häufigste Schilddrüsenkrebs, entscheidet man sich manchmal zu einer Radiojodtherapie und danach, der Patient hat ja keine Schilddrüse mehr, benötigt der Patient eine Schilddrüsenhormonsubstitution. Wie wir die genau gestalten, hängt auch wieder davon ab welche Krebsart vorliegt und welches Stadium vorliegt. Bei den selteneren Schilddrüsenkrebsformen, die gar nicht mit, z.B. Radiojod zu behandeln sind, ist auch wieder der Chirurg der erste wichtige Partner in der Therapiesequenz und danach gestaltet sich die Nachsorge eben ein bisschen diffiziler oder engmaschiger als bei den herkömmlichen Schilddrüsenkrebs und das ist definitiv etwas für den Experten.
Wann ist bei Schilddrüsenknoten eine Operation angezeigt?
Die erste Botschaft ist sicher: Die meisten Schilddrüsenknoten müssen nicht operiert und müssen überhaupt nicht behandelt werden. Operieren wird man dann, wenn der Knoten zu mechanischen Beschwerden führt. Meistens sind dann mehrere Knoten vorliegend. Ein weiterer Grund für eine Operation kann eine Überfunktion dieser Knoten sein, die Schilddrüsenautonomie, und der dritte und das ist ein ganz harter Grund für die Schilddrüsenoperation ist, wenn man einen Schilddrüsenkrebs vorliegen hat oder der Verdacht auf Schilddrüsenkrebs besteht.
Wann ist bei Schilddrüsenknoten eine Radiojodtherapie angezeigt?
Schilddrüsenknoten kann man mit Radiojod gut behandeln, wenn eine Überfunktion vorliegt, eine Schilddrüsenautonomie, dann ist das ein sehr gutes Verfahren, eine sehr gute Alternative zur chirurgischen Therapie. Die zweite Indikation für eine Radiojodtherapie ist die Nachbehandlung des differenzierten Schilddrüsenkrebses. Da haben wir einen Wandel zu wie wir früher vorgegangen sind. Heute machen wir das nicht mehr automatisch bei jedem differenzierten Schilddrüsenkarzinom, sondern nur noch in ausgewählten Fällen und in jedem Fall dann, wenn der Krebs schon gestreut hat.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es, wenn der Krebs nicht mit Jodt behandelbar ist?
Es gibt seltener Krebs-Verlaufsformen bei denen Radiojod nicht mehr wirkt, wenn der Krebs dann auch gestreut ist. Bei diesen Patienten haben wir neue medikamentöse Behandlungoptionen, das sind Tabletten, die werden auch ambulant verabreicht und diese Tabletten entsprechen einer zielgerichteten Therapie. Das heißt sie sind gerichtet auf Muster, die in dem Krebs vorliegen und die den Krebs unterhalten. Sie wirken auch auf die Blutversorgung und drosseln dem Krebs sozusagen die Zufuhr an Nahrungsmitteln ab. Neue Konzepte sind darauf ausgerichtet, das Immunsystem, was den Krebs auch begleitet und unterhält, günstig zu beeinflussen, sodass darüber eine effiziente Krebstherapie möglich ist. Wir haben uns in den letzten 5 Jahren dort extrem weiterentwickelt und können den Patienten tatsächlich jetzt erstmals Behandlungskonzepte anbieten.
Wie erfolgt die Nachsorge nach Behandlung von Schilddrüsenkrebs?
Die Nachsorge ist ein bisschen unterschiedlich, je nachdem welchen Krebstyp wir haben. Nehmen wir einmal den häufigen Krebstyp, das differenzierte Schilddrüsenkarzinom, dann ist die Nachsorge darauf ausgerichtet, zu schauen: Ist der Schilddrüsenkrebs komplett weg? Dazu benutzen wir neben der Untersuchung, ganz wichtig den Ultraschall im Halsbereich, wir bestimmen ein Tumormarker, der heißt Thyreoglobulin, und wir führen auch noch mal eine besondere Form einer Szintigraphie, eine Jod-Szintigraphie, durch, wo wir dann schauen, dass tatsächlich keine speichernden Schilddrüsenzellen mehr im Körper vorliegen. Danach ist der Patient geheilt. Danach richtet sich die Nachsorge daraus zu gucken, ob noch mal ein Rezidiv entstehen kann, und da benutzen wir einfach Klinik, Ultraschall, und die Laboruntersuchung, vor allen Dingen mit dem Thyreoglobulin.
Was überrascht Patienten am meisten zum Thema Schilddrüsenknoten und -krebs?
Ich denke die größte Überraschung ist, dass Schilddrüsenkrebs wirklich extrem selten ist, vor allen Dingen der Schilddrüsenkrebs, der für den Patienten auch relevant ist als Krebs. Es besteht ein gewisses Missverständnis, dass wir in der Schilddrüse Knoten haben, die womöglich in der Funktion nicht mehr so aktiv sind, also diese kalten Knoten – sagt man landläufig – und, dass dahinter ein Schilddrüsenkrebs stecken könnte. Schilddrüsenkrebs – für den Patienten relevant – ist etwas extrem seltenes. Unter 1 Promille aller Knoten haben einen solchen Schilddrüsenkrebs als Ursache. Ich finde das sehr, sehr selten. Was vielleicht auch überrascht ist, dass eben diese Form des Schilddrüsenkrebses in den meisten Fällen heilbar ist.
Was ist die häufigste Fehlannahme?
Eine sehr häufige Fehlannahme ist, dass ein Knoten in der Schilddrüse ein Schilddrüsenkrebs ist und eine häufige Fehlannahme ist auch, dass wenn man einen kalten Knoten hat, dass man dann ein Schilddrüsenkrebs hat und am besten gleich zum Operateur gehen muss und das entfernen lassen muss. Das ist ein völlig falsches Konzept. Knoten sind extrem häufig. Krebs ist extrem selten, unter 1 Promille Relevanz für den Patienten, und ich glaube da besteht ein ganz großes Missverständnis was unnötig viele Menschen beunruhigt.
Welche Studie oder welches Forschungsergebnis in den letzten 5 Jahren hat Sie am meisten fasziniert und warum?
Wir haben in den letzten Jahren einen sehr großen Erkenntnisgewinn gehabt, wodurch dieser Schilddrüsenkrebs oder verschiedene Schilddrüsenkrebsformen zustande kommen können. Wir kennen heute sehr genau das Muster der genetischen Veränderung in diesen Krebsformen. Und eine Studie die durchgeführt wurde, die viele Millionen Dollar gekostet hat, behandelt das papilläre Schilddrüsenkarzinom. Das ist in der Gruppe der differenzierten Schilddrüsenkarzinome auch wieder die häufigste Entität und dort hat man herausgefunden, dass die papillären Karzinome ein ganz einfaches Muster haben, meistens eine BRAF Mutation seltener eine Ras Mutation und dieses Muster hat erstaunt, weil dieses Muster uns eigentlich ganz gut erklären kann, warum diese Krebsformen auch so gut behandelbar sind. Das ist eine tolle Erkenntnis und unterstützt eigentlich das, was wir im klinischen Alltag sehen und den Patienten auch immer wieder vermitteln.
Gibt es „alternative“ Behandlungsmethoden die Sie für sinnvoll erachten?
Bei dem Schilddrüsenkrebs bin ich ganz pragmatisch. Da gibt es eine etablierte Therapie, das ist der Chirurg, der ist wichtig. Danach eben in Abhängigkeit vom Schilddrüsenkrebs Nachbehandlung. Alternative Therapien gibt es aus meiner Sicht beim Schilddrüsenkrebs nicht. Wir kennen den Krebs. Wir wissen auch was er macht und da gibt es weltweit genug Studien seit Jahrzehnten, die uns auch klar sagen, was wir tun sollen und daran sollten wir auch nicht rütteln.
Was wird bei der Behandlung falsch gemacht?
Ich denke, dass wir in der Abklärung von Schilddrüsenknoten zu wenig konsequent sind. Wir brauchen Klinik, wir brauchen Ultraschall, Labor. Dann brauchen wir die Feinnadelpunktion, wenn wir denken, dass es sich um einen Schilddrüsenkrebs handeln könnte. Was wir nicht brauchen ist Ultraschall, Szintigraphie, kalter Knoten und dann direkt der Gang zum Chirurgen, der die Schilddrüse entfernt. Was wir auch nicht brauchen ist, dass Patienten jährlich dauerhaft szintigraphiert werden. Dazu gibt es überhaupt keine Indikation. Patienten werden unnötig beunruhigt und da haben wir in Deutschland tatsächlich einen extremen Nachholbedarf. Das heißt einmal konsequent abklären, einmal eine Entscheidung treffen, muss dieser Knoten wirklich behandelt werden, keine Operation ohne eine Funktion bei einem Krebsverdacht. Das ist das, was wir ändern müssen zum Wohl unserer Patienten.
Was sollte man bei Schilddrüsenknoten keinesfalls machen? Was keinesfalls bei Schilddrüsenkrebs?
Bei Schilddrüsenknoten sollte man keinesfalls automatisch jeden Knoten behandeln. Dazu gibt es keinen Grund. Das muss man sich gut überlegen. Was man auch nicht machen sollte ist den Patienten jährlich zu dauerhaften Untersuchungen einbestellen, der keine Beschwerden hat und ihn womöglich reihenweise szintigraphieren. Was wir bei Schilddrüsenkrebs nicht machen sollten, das ist ehrlich gesagt ein langer Block. Bei Schilddrüsenkrebs sollten wir immer uns gut überlegen, wie müssen wir das operieren. Müssen wir diesen Krebs z.B. mit Radiojod therapieren? Und wir müssen uns heute sehr gut überlegen, wie wir den Patienten nachher mit Schilddrüsenhormonen einstellen. Früher war es üblich den Patient z.B. automatisch an eine Überfunktion zu bringen und zwar möglichst lebenslang, weil man gedacht hat das hilft für das Langzeitüberleben des Patienten. Heute wissen wir: das ist schädlich. Diese Patienten haben ein Risiko ein Herzproblem zu bekommen und das sollten wir heute auf gar keinen Fall z.B. machen.
Welche Veröffentlichung haben Sie gemacht die für die meisten Patienten relevant ist?
Mir fallen dazu mehrere Veröffentlichungen ein. Eine wichtige Botschaft ist, dass wir die Ursachen für die heißen Knoten identifiziert haben. Das sind Mutationen im TSH-Rezeptor-Gen. Die werden in seltenen Fällen auch vererbt; das haben wir zeigen können. Dann haben wir sehr viel darüber auch gearbeitet, warum das Lebensalter dafür wichtig ist, ob eine Schilddrüsenfunktion für den Organismus Relevanz hat und für welche Organe das Relevanz hat und da gibt es große Unterschiede. Wir werden alle älter und das ist ein ganz wichtiger Punkt, wo wir auch neue Daten generiert haben, die für die Patientenversorgung relevant sind.
Welchen Einfluss hat die Lebenseinstellung auf die Schilddrüse?
Es gibt eine besondere Form einer Schilddrüsenerkrankung, das eine Autoimmunerkrankung, der Morbus Basedow, und der hat als typischen Auslöser eine Stresssituation im Leben. Das ist häufig eine unangenehme Situation. Das wissen wir bei den Patienten, dass das Eintritt für eine Autoimmunerkrankung sein kann. Ansonsten gilt es, dass die Lebenseinstellung, bei der Schilddrüse wie bei allen anderen Erkrankungen, gut ist, wenn sie positiv ist und das sicherlich ein Faktor ist, der auch das Gespräch mit dem Arzt oder die Zugänglichkeit für Rat – was machen wir in welcher Situation – ganz positiv beeinflussen kann.
Welchen Einfluss hat die Ernährung?
Die Schilddrüse braucht ein elementares Element, damit sie richtig funktionieren kann. Das ist das gute Jod. Wir leben in Deutschland in einer Region wo wir natürlich tendenziell wenig Jod zu uns nehmen können. Da haben wir zum Glück Maßnahmen in den letzten Jahrzehnten gesehen, indem Jod über Salz vermehrt auch in die Nahrung eingebracht wird. Ganz, ganz wichtig ist, dass wir alle ausreichend Jod erhalten und das ist für bestimmte Gruppen von uns nochmal ganz relevant, nämlich die Schwangeren. Diese Schwangeren sollten eigentlich in Deutschland alle während der Schwangerschaft und der Stillzeit auch eine gute Supplementation erhalten, also eine Tablette Jodid pro Tag einnehmen, damit die Schilddrüse genug Substanz hat, um Hormon produzieren zu können und die kindliche Schilddrüse eben auch genug Jodid bekommt. Also Jodid ist etwas Wichtiges in unserer Nahrung, dass wir davon ausreichend haben.
Muss eine Autoimmung-Tyrioditis behandelt werden?
Die Autoimmunthyreoiditis ist eine häufige Erkrankung oder ein häufiger Befund, der ein ganz breites Spektrum hat und um es klar zu sagen, sie muss immer dann behandelt werden, wenn sie zu einer Unterfunktion der Schilddrüse führt. Das sehen wir am Patienten. Wir bestätigen es aber vor allem über die Laboruntersuchung und wenn eine Unterfunktion der Schilddrüse vorliegt, dann ist der Zeitpunkt gekommen, eine Hormonsubstitution, also den Ersatz des Schilddrüsenhormons, in Tablettenform fortzuführen. Großteil der Patienten hat diese Unterfunktion nicht und dann müssen wir die Autoimmunthyreoiditis auch nicht behandeln.
Infos zur Person
Ich leite die Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen am Universitätsklinikum Essen und bin Lehrstuhlinhaberin für das gesamte Gebiet der Endokrinologie und Diabetologie. Und ich bin seit vielen Jahren aktiv, klinisch aber vor allen Dingen auch in der Forschung, auf dem Gebiet des Schilddrüsenkrebses. Wie entsteht dieser Krebs, was zeichnet den Krebs aus, und wie können wir diesen Krebs umgehend behandeln, auch heilen, und für die Krebsformen, die wir nicht heilen können, welche neuen Therapiemöglichkeiten können wir entwickeln? Dazu habe ich sehr, sehr lange geforscht, war viel im Ausland, habe eine spezielle Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft bekommen, und bin auf europäischer Ebene auch verantwortlich für die Gruppe, die sich mit Schilddrüsenkrebs innerhalb der Europäischen Schilddrüsengesellschaft beschäftigt.
Infos zur Klinik
Die Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen am Universitätsklinikum Essen, die von mir geleitet wird, ist spezialisiert auf Schilddrüsenkrebs, aber eben auch auf andere Tumoren, die von hormonproduzierende Drüsen ausgehen. Hier haben wir das ganze, breite Behandlungsspektrum, zusammen mit den Kollegen aus verschiedenen Fachdisziplinen, die eine umfassende Diagnostik, aber auch Therapie dieser Erkrankungen ermöglicht. Wir sind auch spezialisiert auf ganz seltene Krebsformen die es in der Bevölkerung extrem wenig gibt und die Patienten können zu uns kommen. Wir forschen intensiv, haben Modelle die Substanzen testen und auch an den Patienten bringen und sind europäisch intensiv vernetzt. Wir haben ein Referenznetzwerk für seltene Erkrankung, das wir Essen aus betreiben und können damit für die Patienten eine komplette, umfassende Therapie anbieten.
Lebenslauf:
1988–1995 | Studium der Medizin an der Universität Gießen, Deutschland; Trinity College, Dublin, Irland; University College, London, Großbritannien |
1996 | Hochschulabschluss (Dr. med.), Summa cum laude |
1995–1998 | Facharztausbildung Innere Medizin, Universitätsklinikum Leipzig, Deutschland |
1998–2000 | Postdoc am College of Medicine der Universität Wales (UWCM), Cardiff, UK |
2001–2003 | Facharztausbildung Innere Medizin, Universitätsklinikum Leipzig |
2002 | Hochschulabschluss (Ph.D.) UWCM, Cardiff, UK |
2003 | Facharztprüfungen in der Inneren Medizin, Oberarzt in der Abteilung III der Medizinischen Klinik, Universitätsklinikum Leipzig |
2004 | Habilitation und Venia Legendi in der Inneren Medizin der Universität Leipzig |
2004 | Subspezialisierung in der Endokrinologie |
2006 | Außerplanmäßige Professor (Apl), Universität Leipzig |
2006–2011 | Geschäftsführende Ärztin und Leiterin des Labors für Molekulare Diagnostik in der Medizinischen Klinik III, Universitätsklinikum Leipzig |
2007 | Subspezialisierung in der Diabetologie, Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) |
2008–2011 | Stellvertretende Direktorin der Klinik für Endokrinologie und Nephrologie, Universitätsklinikum Leipzig |
2009 | Ernennung zur W3-Professorin für Innere Medizin und Lehrstuhl für Endokrinologie, Universität Duisburg-Essen |
Seit 2011 | Direktorin der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselstörungen und des Zentrallabors, Universitätsklinikum Essen |