Unser Experte für Diabetes und Auge
Dr. med. Katja Severing
Institution und Position: Leitende Oberärztin der Augenklinik des Marienhospitals Düsseldorf. Dozentin am Universitätsklinikum Düsseldorf.
Stand: 14.03.2018
Die Mitschrift des Interviews mit Dr. med. Katja Severing zum Thema “Diabetes und Auge”
Neue Diagnose Diabetes - Was tun bei Sehstörungen?
Es kommt vor, wenn der Diabetes frisch diagnostiziert wird, dass die Stoffwechsellage doch sehr schwer entgleist war. In diesem Zeitraum verschiebt sich das Wasser innerhalb des Auges, wie auch in anderen Zellen des Körpers, und da kann es zu einer Quellung der Linse und der Hornhaut kommen und in dieser Zeit bemerkt der Patient Sehstörungen. Das ist meistens Passagier und bei einer verbesserten Stoffwechsellage, wenn der Zucker also wieder in den normalen Bereich therapiert wird, dann vergeht auch diese Sehstörung. Die ist nicht bleibend und muss auch nicht weiter vom Augenarzt therapiert werden.
Wie bemerkt man Augenveränderung beim Diabetes?
Meisten ist es so, dass der Patient kaum Veränderungen bemerkt und auch keine Sehstörungen hat. Aus diesem Grunde empfehlen wir Augenärzte den Diabetespatienten routinemäßige Kontrollen beim Augenarzt. Und zu diesem Zeitpunkt sollte der Patient möglichst auch ohne Auto zum Augenarzt fahren, weil die Pupille erweitert werden muss und dadurch der Patient 3 bis 5 Stunden schlechter sehen kann. Und wenn dann der Augenarzt sich die Netzhaut anschaut, kann er auch kleinste Veränderungen in der Netzhaut bereits erkennen. Kleinste Veränderungen müssen eigentlich nicht behandelt werden, die werden nur zur Kenntnis genommen. Wenn aber schon schwerwiegende Probleme aufgetreten sind, wird der Augenarzt das mit den Patienten diskutieren und auch die weiteren Schritte einleiten.
Wie oft sollten Diabetiker zum Augenarzt gehen?
Wenn der Diabetes frisch diagnostiziert ist, sollte der Patient zum Augenarzt gehen, auch wenn er keine Sehstörungen hat, denn es kommt auch teilweise vor, dass bereits bei der Diagnose Augenveränderungen bemerkbar sind für den Augenarzt. Wenn sich keine diabetische Retinopathie, das heißt keine Veränderungen zeigen, dann sollte eine routinemäßige Untersuchung einmal jährlich stattfinden. Wenn sich Veränderungen zeigen, dann wird der Augenarzt die weiteren Zeiträume festlegen – meistens 6 Monate, 3 Monate, oder je nach Therapie.
Laserbehandlung bei Diabetes noch aktuell?
Beim Diabetes und Augenproblemen handelt es sich meistens um die Diabetische Retinopathie oder die Diabetische Makulopathie. Beide Erkrankungen werden mit dem Laser behandelt und es ist unsere erste Linie der Therapie, wenn der Schwellenwert für eine Behandlung überschritten ist. Dies wird vom Augenarzt festgelegt. Es gibt inzwischen aber auch neuere Verfahren, wie zum Beispiel Injektionen in das innere Auge oder auch eine Vitrektomie, was eine Entfernung des Glaskörpers bedeutet.
Gefährdet Diabetes die Augen?
Das muss man mit einem klaren „ja“ beantworten. Die häufigste Erblindungsursache in unseren industrialisierten Ländern im erwerbsfähigen Alter ist der Diabetes. Man muss aber auch dazu sagen, dass der Diabetes keine Erblindung mehr verursachen muss, mit den heutigen Therapiemöglichkeiten. Wenn der Patient eine ordentliche Stoffwechseleinstellung hat und regelmäßig beim Augenarzt kontrolliert wird und bei Schwellenwerten therapiert wird, entweder mit Laser, mit Injektionen, mit Operationen, was auch immer angezeigt ist, so muss kein Patient mehr erblinden.
Diabetische Makulopathie - Wie wird diese behandelt?
Die Diabetische Makulopathie ist eine Schwellung der Makula, die im Zentrum des Auges das Schärfste sehen ermöglicht. Wenn die Makula geschwollen ist, dann verliert man Sehkraft. Diagnostiziert werden kann das einmal, indem der Augenarzt bei der dilatierten Pupille direkt auf die Makula schaut oder teilweise wird er eine Farbstoffuntersuchung veranlassen, oder eine so genannte OCT-Untersuchung, bei der die Netzhautdicke bestimmt wird. Wenn die Diabetische Makulopathie einen Schwellenwert überschreitet, dann beginnen wir mit einer Laserkoagulation. Das ist die erste Linie der Behandlung. Oder wir beantragen bei der Kasse Injektionen mit Lucentis in das Auge. Dies entspricht dann einem operativen Eingriff.
Diabetische Retinopathie - Wie wird diese behandelt?
Die Diabetische Retinopathie ist eine Veränderung der Gefäße in der Netzhaut, die vor allem dadurch auftritt, dass es zu einer Minderdurchblutung in der Netzhaut kommt. Verschiedene Teile der Netzhaut werden weniger durchblutet und dann werden dort Botenstoffe ausgeschüttet, die das Gefäßwachstum anreizen oder fördern. Dieses Gefäßwachstum macht erst einmal Sinn. Die Gefäße, die dann wachsen, sind aber von minderer Qualität und bluten leicht. Und wenn es zu einer Einblutung ins Auge – in den Glaskörper – kommt, kann die Sehkraft sehr stark reduziert werden. Wenn also festgestellt wird, dass es zur Minderdurchblutung in der Netzhaut gekommen ist, muss zu aller erst einmal eine Lasertherapie durchgeführt werden. Alle zu wenig durchbluteten Areale müssen mit Laserkoagulation behandelt werden, damit diese Botenstoffe nicht mehr produziert werden. Wenn es erst einmal zur Einblutung gekommen ist, kann diese abgesaugt werden, durch eine Vitrektomie, also Entfernung des Glaskörpers durch einen operativen Eingriff, der in einer Klinik stattfinden muss, am besten unter stationären Bedingungen.
Wann empfiehlt sich die Injektion ins Auge?
Die Injektion ins Auge wird vom Augenarzt dann empfohlen, wenn es zu einer diabetischen Makulopathie gekommen ist, das heißt an der Schwellung der Makula, einer Schwellung im Zentrum des schärfsten Sehens. Diese Spritzen wirken eine Entquellung der Makula, also dieses Zentrums und wenn das Zentrum wieder dünn wird, dann nimmt auch wieder die Sehschärfe zu. Es gibt manche andere Indikationen für eine Injektion ins Auge mit dem gleichen Medikament. Wenn es z.B. zu einem Gefäßwachstum im Endstadium der diabetischen Retinopathie gekommen ist als Vorbereitung auf die Operation der Vitrektomie, der Glaskörperentfernung.
Schielen - Was Menschen mit Diabetes wissen sollten.
Was vielleicht nicht so bekannt ist unter Diabetikern, das ist, dass es im Rahmen des Diabetes auch zu einer Schielstellung der Augen kommen kann und zum Doppelsehen, was ein großes Problem für den sicheren Gang und für das Gleichgewicht des Patienten darstellen kann. Wenn es zu einer Minderperfusion, einer Minderdurchblutung eines Augenmuskels kommt, dann kommt es auch zu einer Fehlstellung. Und sobald die Augen nicht mehr genau parallel stehen, kommt es zu Doppelbildern. Dadurch wird der Patient fahruntüchtig und sehr stark in seiner Lebensqualität eingeschränkt. Durch eine verbesserte Zuckereinstellung und Blutdruckeinstellung, kommt es meistens zu einer spontanen Rückbildung der Symptome in 3 bis 6 Monaten. Diese Behandlung liegt in der Hand des Diabetologen oder des Hausarztes und nicht in der Hand des Augenarztes.
Wie kann man die Augen schützen?
Der beste Schutz der Augen ist eine sehr gute Zuckereinstellung. Der Blutzucker muss gut eingestellt werden in Abstimmung mit dem Diabetologen, genauso der Blutdruck und auch die Blutfettwerte. Es ist außerdem wichtig, nicht zu rauchen. Die Patienten sollten regelmäßig Ihre Kontrolltermine beim Augenarzt wahrnehmen und wenn dort kleinere Veränderungen festgestellt werden, die vielleicht auch noch unter dem Schwellenwert liegen und vom Augenarzt nicht behandelt werden müssen, so kann dieser in Absprache mit dem Diabetologen die Zeit bis zum nächsten Kontrolltermin entsprechend festlegen.
Welche Spätfolgen am Auge gibt es?
Durch den Diabetes kann es nach vielen Jahren in den Augen zu Minderdurchblutung kommen. Wenn Areale in der Netzhaut schlecht durchblutet sind, über viele Monate oder Jahre, dann kann es dort in der Makula z.B. zu einer Schwellung kommen. In anderen Arealen kommt es zu einer Bildung von neuen Gefäßen, die mindere Qualität haben und bluten können. Darüber hinaus kann es zu Blutungen in dem Glaskörper kommen. Es kann auch durch diese Gefäßeinsprossung zu einer Netzhautablösung kommen. Das heißt wenn es zu Spätfolgen am Auge gekommen ist, heißt das nicht, dass jetzt alles verloren ist. Trotz allem wieder zum Augenarzt gehen, denn auch in einem späten Stadium kann durch eine Operation des Glaskörpers oder eine Operation an der Netzhaut direkt noch Sehkraft wiedergewonnen und erhalten werden.
Welche neuen Behandlungsmethoden gibt es?
Die Standardbehandlungen beim Diabetes werden sicherlich schon bei den meisten Patienten angewendet: Die längste Erfahrung liegt mit der Laserkoagulation vor. Neu im Bereich des Diabetes sind die Injektionen ins Auge, die meistens bei der Diabetischen Makulopathie, also beim Ödem und der Schwellung der Netzhautmitte, eingesetzt werden. Meist werden diese angeordnet in einer Frequenz von 3 Spritzen, jeweils einen Monat auseinander. Und am Ende dieser Drei-Spritzen-Periode wird mit einer Farbstoffuntersuchung oder einer OCT-Untersuchung die Netzhautdicke überprüft. Bei einer Verbesserung des Netzhautbefundes kann dann weiter konservativ behandelt werden.
Sind die Behandlungen Kassenleistungen?
Prinzipiell sind alle Behandlungen, die Sie beim Augenarzt als Diabetiker erhalten, Kassenleistungen. Es gibt aber eine neue Therapieform – die Injektion in die Augen – die derzeit nur auf Antrag bei der Krankenkasse erstattet wird, aber von den Kassen in der Regel genehmigt werden. Es muss aber über den Augenarzt ein spezieller Antrag gestellt werden.
Infos zur Person
Meine Faszination mit Diabetes und Augen begann bereits in den 80er Jahren während meines Studiums in Madison, Wisconsin in den USA, wo ich an einer Studie über die Laserkoagulation bei Diabetes und Auge teilgenommen habe. Auch in meiner weiteren Facharztausbildung an der University of Chicago lag mein Schwerpunkt beim Diabetes, den ich auch weiter in meinem Berufsleben an der Universität Düsseldorf ausbauen konnte, dort Vorträge über Diabetes und das Auge halten konnte, und auch in meiner jetzigen Praxis am Marienhospital liegt mein Schwerpunkt bei dem Diabetes und dem Auge.
Infos zur Klinik
Derzeit arbeite ich als leitende Oberärztin am Marienhospital in Düsseldorf. Das gehört zum Verbund der Katholischen Kliniken Düsseldorfs. Wir behandeln dort die gesamte Palette der diabetischen Erkrankungen am Auge, dann sowohl konservativ, als auch mit Laser, als auch operativ. In jedem Stadium der Erkrankung behandeln wird die Patienten – teilweise ambulant, teilweise aber auch stationär.
Lebenslauf:
1982 – 1988 | Medizinstudium an der Medizinischen Fakultät der Heinrich Heine Universität, Düsseldorf. |
1986 – 1988 | Wissenschaftliche Hilfskraft am Anatomischen Institut, Heinrich Heine Universität Düsseldorf. |
1988 | Praktisches Jahr, University of Wisconsin in Madison, School of Medicine, USA (Augenheilkunde, Chirurgie,) |
1989 – 1990 | Arzt im Praktikum im Deutschen Diabetisches Forschungsinstitut in Düsseldorf, Abteilung Innere Medizin, davon 3 Monate an der Augenklinik der Universität Düsseldorf. |
1989 – 1990 | Unterricht der Krankenschwestern in Augenheilkunde an der Krankenschwesterschule in Düsseldorf. |
1990 – 1991 | Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Neuroophthalmologischen Instituts der University of Illinois in Chicago, USA. |
Ärztliche Ausbildung
1991 – 1992 | Assistent der Inneren Medizin am Michael Reese Hospital in Chicago, Illinois (USA) |
1992 – 1995 | Assistentin der Augenheilkunde an der University of Illinois Eye and Ear Infirmary, Chicago, Illinois. |
1998 | Facharzt der Augenheilkunde (Boards of Ophthalmology) |
Qualifikationsnachweise:
1990 | Approbation und Promotion |
1998 | Amerikanischer Facharzt der Augenheilkunde (Board of Ophthalmology), Rezertifizierung im Jahr 2008 |
2006 | Facharzt der Augenheilkunde in Österreich |
2002 – 2003 | Assistant Professor an der University of Illinois |
Berufliche Tätigkeiten
1995 – 2003 | Erste Oberärztin am Mount Sinai Krankenhaus in Chicago (USA). Aufgabenbereich war die gesamte Poliklinik, sowohl medizinisch als auch administrativ. Chirurgische Schwerpunkte: Bereich des vorderen Augenabschnittes und hier vor allem im Bereich der Traumatologie und Kinderophthalmologie. War „member of the state trauma registry programs“ und hielt Vorlesungen für Assistenten im Bereich der Chirurgie, Inneren Medizin und der Kinderheilkunde. Zeitgleich auch Assistant Professor an der University of Illinois und hielt Vorlesungen für die Assistenten der Augenheilkunde. |
2004 – 2004 | Funktionelle Oberarztstelle an der Universität Graz (Österreich) mit operativen Pflichten, hauptsächlich im Gebiet des vorderen Augenabschnittes insbesondere Katarakt Operation. Betreuung der Diabetes Ambulanz, und Ausbildung der Assistenten. |
2005 | Wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Projekt artifizielle Sehkraft, an der Universität Graz. Projektleiterin: Prof. Dr. Michaela Velikay-Parel. |
2005 | Oberärztin am Landes Krankenhaus Leoben. |
2005 – 2007 | Oberärztin am LKH Bruck an der Mur. Ambulanzleitung. Operative Pflichten hauptsächlich im Bereich des vorderen Augenabschnittes. Vertretung in der Sehschule. Organisation der Internen Fortbildungen. Einrichtung einer spezial Ambulanz für Diabetiker. |
2008 – 2010 | Oberärztin für den vorderen Augenabschnitt an der Universität Düsseldorf. Hauptvorlesung, Leitung der Elektrophysiologie. |
Seit 2010 | Oberärztin vorderer Augenabschnitt am Marien Hospital in Düsseldorf |
Seit 2011 | Leitende Oberärztin der Augenklinik am Marienhospital, Verbund der katholischen Kliniken Düsseldorf |
Mitgliedschaften:
Publikationen:
Gastsprecher für den Universitätslehrgang Interdisziplinäre Gerontologie über spezielle Altersprobleme aus der Sicht der Augenheilkunde. 2.7.2004, 4.7.2006
Asymmetry of Angioid Streaks due to unilateral high Myopia. Photo Essay, submitted 2006 to Archives of Ophthalmology.
Bilateral infectious Actinomyces Keratitis after simultaneous Lasik. Case report, submitted 2006 to Cornea and Refractive Surgery.
Corneal opacities after penetrating keratoplasty under oral acne therapy with isotretinoin. Case report, submitted 2006 to Cornea and refractive surgery.
Drei Fachbuch Kritiken für die Zeitschrift “Ocular Surgery News”. 2002
Szlyk, J.P.,Fishman, Severing, K.,Alexander, K.R.,Viana, M.(1993). Evaluation of driving performance in patients with juvenile macular dystrophy’s. Archives of Ophthalmology, 111, 207-212.
Szlyk,J.P.,Alexander,K.R.,Severing,K.,Fishman,G.A.(1992). Assessment of driving performance in patients with retinitis pigmentosa. Archives of Ophthalmology, 110, 1709-1713.
Abnormalities of Oculomotor Control in Stutterers, Joel M. Weinstein, Anthony J. Caruso, Katja Severing, James N. VerHoeve. Univ. of Wisconsin-Madison Dept. of Ophthalmology and NIDR-National Institutes of Health. Investigate Ophthalmologie 30: suppl. P 184, March, 1989.
Severing, K. (1989) Dissertation an der Universität Düsseldorf. Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe. Tubenerhaltende Operationen bei Eileiterschwangerschaften.