Unser Experte für Alzheimer-Demenz – Basics
Prof. Dr. med. Tillmann Supprian
Institution und Position: Leiter der Abteilung Gerontopsychiatrie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am LVR-Klinikum der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Außerdem Leiter der Alzheimerforschung und der Gerontopsychiatrie. Außerplanmäßiger (APL) Professor.
Stand: 14.03.2018
Die Mitschrift des Interviews mit Prof. Dr. med. Tillmann Supprian zum Thema “Alzheimer-Demenz – Basics”
Was ist eine Alzheimer-Demenz?
Alzheimer ist eine Form der Demenzerkrankung. Es gibt verschiedene Demenzformen, die Alzheimerform ist bei uns die häufigste Demenzerkrankung in Deutschland. Sie betrifft überwiegend ältere Menschen, meistens jenseits des 65. Lebensjahres. Es ist eine langsam fortschreitende Erkrankung, bei der zunächst unspezifische Symptome im Vordergrund stehen wie Interesselosigkeit, Antriebsstörungen, aber dann im Verlauf typische Gedächtnisstörungen auftreten, vor allem die Merkfähigkeit ist betroffen. Im weiteren Verlauf kommt es zu Störungen des Denkens, des Urteilsvermögens, der Orientierung, aber leider auch zu Verhaltensveränderungen, häufig mit Ängstlichkeit und Unruhe verbunden.
Welches sind typische Frühsymptome der Alzheimer-Demenz?
Die Demenzerkrankung beginnt meist relativ unauffällig mit diskreten Veränderungen im Verhalten, einem Rückzug, Interessenlosigkeit, die Menschen haben weniger Anteil an gesellschaftlichen Aktivitäten, sie vermeiden Besuche bei Freunden, sie haben häufig kaum noch Interesse an ihren Hobbies und geben gewohnte Tätigkeiten auf. Dann im Laufe der weiteren Entwicklung kommt es zu Gedächtnisstörungen, meist von Ereignissen, die gerade erst passiert sind, die kürzlich erst zurück liegen. Das Langzeitgedächtnis bleibt relativ gut erhalten. Dann kommt es zu zunehmenden Orientierungsstörungen, zunächst in ungewohnter Umgebung, dann aber auch in gewohnter Umgebung. Es werden Personen zum Teil nicht mehr richtig erkannt. Die Namen werden nicht mehr erinnert. Auch vertraute Personen können nicht mehr richtig angesprochen werden.
Wie wird die Diagnose einer Alzheimer-Demenz gestellt?
Zur Feststellung einer Demenzerkrankung ist es erforderlich, dass man eine sorgfältige Anamnese von dem Betroffenen selbst erhebt. Eine Eigenschilderung seiner Beschwerden und dazu dann eine Fremdanamnese, das heißt eine Einschätzung durch nahe Angehörige, die den Betroffenen selbst gut kennen und kleine Veränderungen im Verhalten gut beschreiben können. Danach wird eine neuropsychologische Untersuchung durchgeführt, eine sogenannte Testuntersuchung, bei der Gedächtnisfunktionen, aber auch andere Hirnfunktionen untersucht werden. Man sollte dann in jedem Fall eine Schichtaufnahme des Gehirns, also eine Computertomografie oder eine Kernspintomografie durchführen, um eine Erkrankung im Gehirn, zum Beispiel einen Tumor oder Durchblutungsstörungen auszuschließen. Und zum Schluss muss eine körperliche Untersuchung, einhergehend mit Laboruntersuchungen durchgeführt werden, um andere körperliche Erkrankungen, wie Vitaminmangelzustände oder Stoffwechselstörungen anderer Art auszuschließen.
Gibt es auch Alzheimer bei jungen Menschen?
Eigentlich ist die Alzheimererkrankung eine Erkrankung des höheren Lebensalters, leider gibt es auch in seltenen Fällen das Auftreten einer Demenz vor dem 60. Lebensjahr, man spricht dann von einer präsenilen Demenzerkrankung, so dass es in seltenen Fällen auch Alzheimer bei relativ jungen Menschen gibt.
Wann ist eine Vergesslichkeit noch normal?
Es ist eine Erfahrung, die wir jeden Tag machen, dass wir etwas vergessen. Vergessen ist etwas gesundes, es kommt im ganz normalen Leben vor und ist noch nicht automatisch eine Erkrankung. Vergesslichkeit darf im höheren Lebensalter in gewissem Umfang auch stärker ausgeprägt sein. Dafür hat man Normen geschaffen und man kann aufgrund von Testuntersuchungen festlegen, welche Merkfähigkeit ein Mensch in welchem Lebensalter haben sollte. Ein bisschen Altersvergesslichkeit ist noch keine Krankheit.
Gibt es einen Bluttest, um Alzheimer festzustellen?
Bei der Alzheimer-Demenz kommt es zu Eiweißablagerungen, sogenannte Amyloidablagerungen im Gehirn, die Nervenzellen zerstören und dann auch die Hirnfunktion beeinträchtigen. Dieses Amyloid kann man bisher nur im Gehirn nachweisen, es gibt noch keinen Bluttest. Aber es wird intensiv daran geforscht, ob man nicht auch die Eiweißablagerungen auch mit einem Bluttest darstellen kann.
Wann ist eine Nervenwasseruntersuchung sinnvoll?
Bei der typischen Alzheimer-Demenz im höheren Lebensalter, hochbetagter Mensch mit der typischen Vergesslichkeit, langsames Fortschreiten, ist nicht unbedingt zur Diagnose eine Untersuchung des Nervenwassers erforderlich. Bei einem untypischen Verlauf, das heißt rasches Voranschreiten der Gedächtnisstörung, Manifestation bei jüngeren Menschen oder auch ungewöhnliches Erscheinungsbild mit wenig Gedächtnisstörungen, starken Sprachstörungen oder anderen neurologischen Symptomen, dann sollte eine Liquoruntersuchung durchgeführt werden. Auch immer dann, wenn eine entzündliche Nervenerkrankung als mögliche Diagnose in Frage kommt.
Kann man Alzheimer behandeln?
Ja, man kann Medikamente geben die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, die das Voranschreiten etwas verlangsamen und die vor allem die Demenz-assoziierten Verhaltensstörungen abmildern können. Auch kann es zu einer positiven Beeinflussung des Interesses an Alltagsaktivitäten kommen, das heißt die Behandlung mit sogenannten Acetylcholinesterase-Hemmern oder Memantine ist eine wirksame Therapie der Alzheimer Demenz. Darüber hinaus kann man andere Symptome der Demenzerkrankung wie zum Beispiel Traurigkeit, Depressivität positiv beeinflussen, sodass es schon Möglichkeiten gibt mit Medikamenten die Krankheit positiv zu beeinflussen.
Alzheimer ist ansteckend, stimmt das?
Es gab vor einiger Zeit eine Veröffentlichung, die nachwies, dass pflegende Angehörige von Demenzerkrankten selbst ein höheres Risiko haben, eine Demenz zu bekommen. Das hat natürlich ein bisschen Angst gemacht, ist denn die Alzheimer-Demenz ansteckend? Dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte. Man glaubt, dass die Belastung der pflegenden Angehörigen als Stressfaktormöglicherweise das Demenz-Risiko erhöht, aber eine Ansteckung durch ein ansteckendes Partikel ist bei der Demenzerkrankung bisher nicht gezeigt worden.
Kann man einer Demenz vorbeugen?
Die Demenzerkrankung ist auch verbunden mit sogenannten kardiovaskulären Risikofaktoren, das heißt Menschen, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, haben auch ein höheres Risiko eine Demenz zu bekommen. Das heißt der Ausschluss von Risikofaktoren auf das Herz-Kreislauf-System wirkt sich auch positiv aus um einer Demenz vorzubeugen. Blutdrucksenkung, Nikotinkarenz, aber auch die Einstellung der Stoffwechsellage bei Diabetes mellitus sind wichtige Maßnahmen, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit auch einer Demenz vorzubeugen. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass Menschen, die zeitlebens ihr Gehirn fordern, viel lernen, auch im hohen Lebensalter noch lernen, dass die ein niedrigeres Risiko haben, eine Demenz zu entwickeln. Das heißt Hirn-Jogging, Hirn-Leistungstraining ist etwas sinnvolles, sollte aber zeitlebens gemacht werden.
Ist Alzheimer erblich?
Die Mehrzahl der Alzheimerformen sind sporadische Erkrankungen, die das höhere Lebensalter betreffen. Es gibt allerdings einige seltene familiär gebundene Demenzerkrankungen, auch bei der Alzheimer-Demenz. Man schätzt es sind etwas weniger als 5% erbliche Alzheimerformen. Beim Verdacht auf eine familiäre Demenz sollte der Kontakt zu einem speziellen Forschungsnetzwerk, dem sogenannten DIAN-Netzwerk hergestellt werden. Über die Universitätskliniken und die Gedächtnisambulanzen können Kontakte zu den Koordinierungsstellen in Tübingen und München hergestellt werden.
Welche anderen Formen der Demenz gibt es?
Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Form in unserer Bevölkerung. Es gibt allerdings auch noch andere Ursachen, zum Beispiel gefäßbedingte Demenzerkrankungen, man spricht von vaskulären Demenzen. Es gibt darüber hinaus die große Gruppe der sogenannten frontotemporalenlobären Degenerationen. Das sind Demenzformen, bei denen es ebenfalls zu einem Untergang von Nervenzellen kommt, allerdings nicht im Bereich des Schläfenlappens wie bei der Alzheimererkrankung, sondern vor allem auch im Stirnhirn. Diese Demenzformen sind durch Persönlichkeitsveränderungen, Sprachstörungen, manchmal auch durch spezielle Verhaltensveränderungen gekennzeichnet. Darüber hinaus gibt es noch die Lewy-Körperchen Demenz, bei der es neben motorischen Störungen auch zu optischen Sinnestäuschungen kommt und Demenzen bei der Parkinsonerkrankung.
Was gibt es Neues bei der Behandlung von Alzheimer-Demenz?
Zurzeit wird intensiv versucht neue Therapien zu entwickeln, insbesondere bemüht man sich darum, Antikörper zu entwickeln, die die Eiweißablagerungen bei der Alzheimer-Demenz angreifen und zu einem Stillstand der Erkrankung führen können. Leider haben diese Antikörper bisher noch viele Nebenwirkungen gezeigt, aber es gibt gute Hoffnung, dass man zukünftig das Eiweiß, das ß-Amyloid, bei der Alzheimererkrankung gezielt angreifen kann.
An wen sollte man sich bei einem Verdacht auf Demenz wenden?
Der Hausarzt kann in vielen Fällen erste Untersuchungen durchführen, sogenannte Screening Tests. Im Zweifelsfall wird ein Nervenfacharzt zu Rate gezogen. An vielen Stellen in Deutschland haben sich Memory-Kliniken, Gedächtnisambulanzen, also Spezial-Sprechstunden für Gedächtnisstörungen aufgebaut, die eine weitere Untersuchung durchführen können.
Infos zur Person
Ich bin Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Professor für das Fach Psychiatrie. Ich leite an dem LVR-Klinikum Düsseldorf eine Abteilung für psychische Erkrankungen des höheren Lebensalters dabei auch ein Schwerpunkt: eine sogenannte Gedächtnissprechstunde zur Untersuchung von Demenzerkrankungen.
Infos zur Klinik
Das LVR-Klinikum Düsseldorf gehört zur Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und hat einen Schwerpunkt für psychische Erkrankungen. In dem Bereich der Gerontopsychiatrie werden psychische Störungen des höheren Lebensalters behandelt, dazu gehören insbesondere die Demenzerkrankungen. An der Institutsambulanz angesiedelt ist eine Gedächtnissprechstunde in der die Diagnostik von Demenzerkrankungen aber auch Behandlung bei Demenzerkrankungen angeboten wird.
Lebenslauf:
Studium:
1991 | Promotion: „Elektrodermale Aktivität bei Patienten mit schizophrenen Psychosen, schizotypischer Persönlichkeit und Kontrollpersonen“ Universität Hamburg |
1991 – 1993 | Arzt im Praktikum an der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik, Abteilung für Morphologische Hirnforschung, Universität Würzburg |
1993 | Approbation |
1993 – 1998 | Assistenzarzt, Weiterbildungszeiten an der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik, an der Abteilung für Neuroradiologie und an der Neurologischen Klinik und Poliklinik der Universität Würzburg |
1998 | Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie |
1999 – 1005 | Oberarzt an der Universitäts-Nervenklinik, Psychiatrie und Psychotherapie, Homburg (Saar) |
2005 | Habilitation: „Kernspintomographische Untersuchungen des Gehirns von Patienten mit affektiven Psychosen“, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg (Saar) |
seit 2005 | Abteilungsarzt der Abt. Gerontopsychiatrie, LVR-Klinikum Düsseldorf, Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Stellvertreter des Ärztlichen Direktors am LVR-Klinikum Düsseldorf seit 2005 |
2011 | außerplanmäßige Professur der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf |
Mitgliedschaften:
Funktionen und Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Gesellschaften:
Moderator der Arbeitsgruppe Gerontopsychiatrie der Düsseldorfer Gesundheitskonferenz
Beirat im Landesverband der Alzheimer-Gesellschaften NRW e.V.
Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) seit 1990
Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und –Psychotherapie (DGGPP)
Gründungsmitglied der Deutschen Alzheimer Gesellschaft – Landesverband Saarland e.V.
Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Naturforscher und Ärzte (GDNÄ)
Mitglied der European Association of Geriatric Psychiatry (EAGP)
Gründungsmitglied des Landesverbandes Gerontopsychiatrie und –psychotherapie in Nordrheinwestfalen (LVGPP – NRW)
Publikationen:
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